1. SONNTAG nach Weihnachten
Fest der Hl. Familie
27. Dezember 2015
Evangelium nach Lukas (2,41-52)
Das Fest der Heiligen Familie ist ein recht junges Fest. Es wurde erst 1920 eingeführt. Durch die gesellschaftlichen Umstände begann der Zerfall der Großfamilie. Papst Leo XIII. bemühte sich, die Werte der christlichen Familie hochzuhalten. Es entstand damals etwas Neues: die Kleinfamilie, so wie wir sie kennen: Vater, Mutter, ein, zwei oder drei Kinder. Für dieses Modell der Familie suchte man nun ein Vorbild.
In vielen christlichen Familien hing das Bild von der Hl. Familie in Nazareth: Josef arbeitet in seiner Tischlerwerkstatt und der junge Jesus hilft ihm dabei. Maria dagegen sitzt fleißig am Spinnrad. Es war ein Bild schönster Harmonie, das die Familien dazu anregen sollte, ebenfalls in Frieden und Eintracht miteinander zu leben. Alles Friede, Freude, in himmelblau und rosarot? Die Heilige Familie wurde total idealisiert, so dass sie zu einem lebens- und weltfremden Bild wurde. Ihr Beispiel war so unerreichbar, dass es mit dem echten Leben nichts mehr zu tun hatte. Hat das heutige Fest deswegen seinen Wert und Inhalt verloren?
Dieses Fest soll uns anregen, über den heutigen Stellenwert der Familie nachzudenken. Dabei sollen wir zwei Extreme vermeiden: einerseits das hochidealisierte Bild der Familie, das wirklichkeitsfremd ist und andererseits die Neigung, alle möglichen Partnerschaftsformen zu einer Familie zu deklarieren und dadurch den Wert und die Bedeutung der Familie für den Menschen zu nivellieren. Dabei ist Jesus selbst uns eine gute Hilfe.
In seiner jüdischen Gesellschaft war die Familie tatsächlich das höchste Gut, etwas „Heiliges“. Das war irgendwie verständlich, denn von der Familie mit den Kindern hingt die Zukunft des Stammes ab. Deswegen war es fast eine Schande, nicht verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben. Jesus selbst muss also für seine direkte Umgebung ein Ärgernis gewesen sein.
Jesus wurde von Maria und Josef religiös erzogen. Sie lehrten ihn das Beten. Sie nahmen ihn auf Pilgerreisen nach Jerusalem mit (wie das heutige Evangelium erzählt). Für den zwölfjährigen Jesus war das wahrscheinlich das jüdische Bar-Mizwa-Fest (zu vergleichen mit unserer Firmung), wodurch er „religiös erwachsen“ erklärt wurde und alle religiösen Verpflichtungen erfüllen musste, so wie die Erwachsenen. Er durfte dann im Tempel auch das erste Mal aus den heiligen Schriften vorlesen.
Die Szene vom zwölfjährigen Jesus im Tempel wird dramatisch dargestellt. Drei Tage suchen Maria und Josef ihren zwölfjährigen Sohn verzweifelt in ganz Jerusalem. Als sie ihn nun endlich im Tempel finden, wo er mit den Priestern und Schriftgelehrten diskutiert, da kommt keine Entschuldigung von Jesus, sondern er stellt seinen Eltern die - fast vorwurfsvolle - Frage: "Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich bei meinem Vater sein muss?" Ist diese ganze Szene aber nicht gerade wegen dieses letzten Satzes erzählt worden, um die religiöse Einstellung von Jesus zu charakterisieren, um sein Verhältnis - schon als junger Mensch - zu Gott zu beschreiben? Gott hat für ihn Vorrang vor allem anderen im Leben, auch vor der Familie.
Die Evangelisten berichten mehrfach, wie Jesus das deutlich macht. Als seine Mutter und seine Brüder draußen auf ihn warten, sagt er: „Wer sind meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter." (Mk 3,31-35). Für Jesus steht Gott immer an erster Stelle. Diese Haltung erwartet er auch von seinen Jüngern: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mk 10,37).
Die Familie ist und bleibt die Keimzelle der Gesellschaft. Sie ist die beste und günstigste Lebensform für die Entwicklung eines Menschen. Auch für Jesus ist die Familie nicht unwichtig – aber sie ist nicht das höchste Ziel. Er sprengt einen engen Familienbegriff, der sich nur auf Blutsverwandtschaft stützt. Nicht die natürliche Abstammung ist entscheidend, sondern der Glaube an Gott als die einigende Kraft. Familie ist der Lebensraum, in der die christlichen Grundwerte gelernt, eingeübt, gelebt werden. Hier sollen Kinder Schutz, Geborgenheit, Liebe, Anerkennung, Vertrauen erfahren, damit sie so selbst lieben lernen. Das ist das Ziel: Kinder und junge Menschen liebesfähig machen, damit sie sowohl Gott als auch ihre Mitmenschen lieben können. Damit wir das nicht aus den Augen verlieren, ist es gut, das Fest der Hl. Familie zu feiern.